Bild: Das Bordesholmer Kinoprogramm April 1966

Kino-Geschichte

Das Bordesholmer Savoy-Kino blickt auf eine wechselhafte Geschichte zurück. Vielleicht keine Aufsehen erregende Geschichte, wohl aber bemerkenswert, spiegelt sie doch in all ihren Stadien gleichsam immer auch den allgemeinen Verlauf der Kinoentwicklung wider.

Glanzzeit in den 50ern und 60ern

Bild: Filmhits der 1950er Jahre

Als das Ehepaar Robert und Erna Meyer in den 50er Jahren das Haus führte, waren Meyers Lichtspiele nicht nur das „erste Haus am Platze“, es war auch zu einer Zeit, da das Kintopp noch einen ganz besonderen Stellenwert in der Bevölkerung hatte – zumal in einer ländlichen Region wie Bordesholm: Der neueste Hitchcock war ein Ereignis, die Sissi-Filme erstrahlten in prächtigem Glanz auf der Leinwand und sorgten für lange Schlangen an der Kinokasse. Seit Oktober 1950 hat das Lichtspieltheater in der Schulstraße die Filmgeschichte begleitet und alle Größen Hollywoods in die holsteinische Provinz geholt: Cary Grant und Grace Kelly, Gregory Peck, Doris Day, John Wayne...

Bild: Filmhits der 1960er Jahre

Aber auch der deutsche Film sorgte in seiner Nachkriegsblüte für Furore: Ob Edgar Wallace oder Winnetou – gerade für die Jugendlichen war das Kino der zentrale Treffpunkt im Ort.

Seinerzeit spielte das Kino täglich eine, am Wochenende bis zu fünf Vorstellungen. Der Eintritt auf den Sperrsitzen der hintersten Reihen betrug 1,70 DM, im Parkett ganz vorne 1,20 DM, für die Loge auf dem Balkon gab es noch den Extrazuschlag.

 

Bild: Kino Meyer in den 60ern
Bild: Der alte Kinosaal Anfang der 60er

Rund 400 Besuchern bot das Kino damals Platz, alle zwei bis drei Tage wechselte das Programm und nur an Heiligabend blieb das Lichtspieltheater geschlossen.

Beginn der Krise in den 70ern

Bild: Filmhits der 1970er Jahre

Die „Ära Meyer“ endete in den 70er Jahren. Für die Kinos im ganzen Land wandelte sich der Markt; das Schreckgespenst „Kino-Krise“ ging um. Das Freizeitverhalten der Menschen hatte sich gewandelt: Die Älteren nutzten immer stärker die Alternative Fernsehen, während für die Jugendlichen dank einer wachsenden Mobilität neue Angebote attraktiv wurden, z.B. die Disco in den umliegenden Städten. Die Folge: Meyers Lichtspiele wurde zum Kolibri, und dem Trend zum „Schachtelkino“ folgend, orientierte man sich auch in Bordesholm an der Devise „Wohnzimmerbehaglichkeit“. Der Balkon wurde zugemauert, die hohe Saaldecke abgesenkt – um Heizkosten zu sparen – und ein Ausschanktresen in den Saal integriert. Die Sitzplatzzahl reduzierte sich auf nur noch 160 Stück. Aus dem Lichtspieltheater wurde ein Verzehrkino.

Auch in Bordesholm jodelten fortan „Pralle Teens in engen Jeans“ oder lockten mit „Oben ohne – unten nix!“ Das Kino allgemein bekam ein „Schmuddelimage“ dem Hollywood nur wenig Glanzvolles entgegen zu setzen hatte, außer vielleicht einiger Katastrophenfilme. Den Freizeittrend erhaschend, versuchte das Kolibri eine eigene Club-Disco in dem Raum der zugemauerten Balkon-Loge zu etablieren: ohne Erfolg.

Ein Niedergang wurde eingeläutet, der sich trotz eines Betreiberwechsels und einer erneuten Namensänderung in Savoy Verzehrkino bis in die 90er Jahre fortsetzte. Das Fernbleiben des Publikums führte zwangsläufig zu einem Ausbleiben notwendiger Investitionen. Das Gebäude – seit Mitte der 60er im Besitz der Gemeinde – verfiel, die Technik blieb auf dem Stand der späten 70er Jahre zurück.

Schon längst wäre der Ort ohne eigenes Kino gewesen, hätte nicht Heinz Obier durch sein übermäßiges persönliches Engagement das Kino mehr als Hobby denn als Angestellter für seinen Arbeitgeber auch in wirtschaftlich unrentablen Zeiten als Vorführer, Kartenverkäufer, Tresenbedienung und Hausmeister in Personalunion weitergeführt.

Kultur im neuen Jahrtausend

Als Ende der 90er jedoch die Multiplexe in Sachen Technik und Komfort einen neuen Standard setzten, während der Zustand des Savoy immer unzumutbarer wurde, resignierte der kommerzielle Betreiber aus Barmstedt und gab das Kino auf.

Nicht so die Bordesholmer. Auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Jürgen Baasch bekam das Savoy noch eine zweite Chance, um den Bürgern und Bürgerinnen ein Stück Lebensqualität und dem Kino ein Stück Tradition zu bewahren.

Heute, mit dem Kinoverein als Betreiber, hat das Kino zu seiner alten Bedeutung als ein kulturelles Zentrum der Region zurückgefunden. Nach einer umfangreichen Sanierung im Jahr 2000, die die Gemeinde Bordesholm mit Mitteln der EU finanzierte, umfasst das Savoy inzwischen ein breiteres Veranstaltungsspektrum als je zuvor.

Der Saal bietet jetzt noch 124 Besuchern Platz. Dem Stil der 50er sind der Verein und der Architekt bei der Renovierung weitestgehend treu geblieben. Ebenso wurden die von den Besuchern inzwischen lieb gewonnenen Tischlämpchen (ein altes Verzehrkino-Relikt) beibehalten. Der alte Philips-Filmprojektor dient, wenngleich noch voll funktionstüchtig, inzwischen jedoch nur noch als Museumsstück: Im Sommer 2013 wurde das Savoy auf digitale Projektion umgerüstet.

Der nächste große Renovierungsschritt erfolgte drei Jahre darauf, als die nach gut 40 Jahren recht klapprig gewordene Bestuhlung ausgetauscht wurde. Doch auch hier galt es, unbedingt den Stil des Saales zu wahren. Daher wurde lange nach einem Hersteller gesucht, der den bisherigen Savoy-Kinosessel nahezu identisch nachbauen konnte. Bei der Erneuerung des Tresens im Saal setzte der Verein hingegen auf eine radikale Veränderung: Der alte Spanplattentresen im kantigen 70er-Jahre-Look (aber ganz ohne Retro-Charme) wurde im Stile des 50er-Jahre-Möbelbaus ersetzt.

Bei allen baulichen Maßnahmen war der wichtigste Schritt jedoch, dass der Verein gleich zu Beginn seiner Tätigkeit die Bühne vor der Leinwand wieder reanimiert und sogar noch ausgebaut hat. Regelmäßige Theater-, Musik- und Literaturveranstaltungen ergänzen seither das erweiterte Filmprogramm und machen das Savoy zu mehr als einem bloßen Kino: Es ist jetzt das „Kulturforum Altes Kino“.